Das Schwäbische Tagblatt begleitete das Finale in Tübingen mit der Kamera und lässt unterschiedliche Turnierteilnehmer zu Wort kommen. Das Ergebnis kann hier abgerufen werden.
Die Pokale für die regionalen Meister gehen in dieser Saison nach Berlin, Münster und Göttingen. Die Teams „Göttingen Stahlträger“, „Münster Martini“ und „Redereich“ setzten sich am Wochenende gegen ihre regionalen Konkurrenten durch und entschieden die Finaldebatten in Jena, Bonn und Tübingen für sich. In allen drei Städten wurde traditionell das gleiche Finalthema debattiert. Dieses Haus bereut die Entscheidung der Bundesregierung, im Fall Jan Böhmermanns der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur Strafverfolgung zu erteilen und somit dem Strafverlangen der türkischen Regierung gegen diesen stattzugeben.
Bester Finalredner Konrad Gütschow mit seinem Teampartner Lennart Lokstein (c) Ehlert
Unter den strengen Blicken der bronzenen Willy-Brandt-Figur wurde bis zum letzten Argument gekämpft – überzeugt hat schließlich das Team aus Tübingen und wurde von der Chefjury zum Sieger der dritten ZEIT DEBATTE ernannt. Lennart Lokstein und Konrad Gütschow setzten sich damit in der Rolle der Schließenden Regierung gegen Teams aus Berlin (Häger, Aly), Marburg (Suffel, Göpel), und Göttingen (Bosse, Hein) durch.
Das Finalthema lautete: „Dieses Haus wünscht sich Deutschland als Hegemon in der EU.“ Ein Factsheet wurde den Rednerinnen und Redner vorab ausgeteilt. Um den Interaktionsgrad zwischen den Teams und dem Publikum zu erhöhen, wurde über das Finalthema vorab erstmals von den Zuhörern und Zuhörerinnen im Atrium des Willy-Brandt Hauses abgestimmt.
Die Teilnehmer der ZEIT DEBATTE Berlin (c) Mattes
Vera Bartsch, Torsten Rössing, Jonathan Scholbach, Marion Seiche und Barbara Schunicht jurierten die Debatte. Die Chefjuroren hatten zuvor einige Änderungen zur allgemeinen Bewertungsgrundlage bekannt gemacht und ein Mentorin-Programm für Juroren eingeführt (zum Artikel).
Zudem erhielt Konrad Gütschow den Preis für die beste Finalrede, die von einer prominenten Ehrenjury verliehen wurde. „Eine Debatte ist das Gegenteil einer autoritären Verkündung“, sagte Gregor Gysi, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, vor der Debatte in seinem Grußwort und lobte das Engagement der Studierenden. Gemeinsam mit Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz, Journalistin und Autorin, Manuel Hartung, Ressortleiter von ZEIT-Chancen, Schauspieler Ulrich Matthes sowie Mark Rackles, Staatssekretär für Bildung in der Berliner Senatsverwaltung, war er Teil der Ehrenjury, die den Preis für die beste Rede verlieh.
Finale der ZEIT DEBATTE Berlin im Atrium des Willy-Brandt-Hauses (c) Ehlers
Michael Müller, Regierender Bürgermeister Berlins und Schirmherr der ZEIT DEBATTE, sagte im Vorfeld: „Es freut mich sehr, dass dieses bedeutende Turnier herausragender studentischer Rednerinnen und Redner aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Berlin ausgetragen wird.“
Weitere Bilder des Turniers werden bald auf der Homepage sowie auf der ZEIT DEBATTEN-Facebookseite veröffentlicht. Die nächste und letzte ZEIT DEBATTE der Saison wird vom 6.-08. Mai in Leipzig stattfinden.
Vorrunden im Überblick:
VR 1: Dieses Haus glaubt, dass Staaten, die eine Quote für Frauen in Führungspositionen von Unternehmen vorschreiben, einen Handel mit Führungspositionen für Frauen einführen sollten.
VR2: Dieses Haus würde ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR rehabilitieren.
VR3: Dieses Haus glaubt „Kapitulation“ von Toctronic ist ein optimistischer Song
VR4: Dieses Haus glaubt, die UN sollte das Konzept des gerechten Krieges aufgeben.
VR5: Dieses Haus glaubt, es liegt im eigenen Interesse „indigener“ Bevölkerungsgruppen, die Begriffe „Indigo“ und „Indigena“ als Selbstbezeichnung zu verwenden.
Halbfinale: Dieses Haus würde das Urheberrecht für Kulturgüter aufheben.
Sabrina Effenberger, Julius Steen und Peter Giertzuch gewannen für den Heidelberger Debattierclub das Finale. Kai Dittmann wurde von der Ehrenjury für die beste Rede ausgezeichnet (c) Schledding
Julius Steen, Sabrina Effenberger und Peter Giertzuch haben die zweite ZEIT DEBATTE der Saison gewonnen. In der Rolle der Opposition setzten sich das Team aus Heidelberg gegen Stefan Torges, Kai Dittmann und Alexander Hans durch, die für Berlin angetreten waren. Die beiden Teams debattierten über die Frage, ob Gefährder erheblich in ihrer Freiheit eingeschränkt werden sollten, ohne, dass sie konkrete Straftaten begangen haben. Barbara Schunicht (Hauptjurorin), Nikos Bosse, Patrizia Hertlein, Elin Böttrich sowie Christian Strunck jurierten die Debatte. Alexander Ropertz präsidierte.
Kai Dittmann erhielt von der Ehrenjury den Preis für die beste Finalrede. Nicht nur sei die Sachebene überzeugend gewesen, sondern auch der persönliche Einstieg der Rede sowie das rhetorische Auftreten ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen, begründete Carsten Ovens die Entscheidung des Jurytrios. Der Kommunikationspsychologe Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun bezeichnete in einem berührenden Grußwort das Debattieren als eine „wahrlich menschliche Herausforderung.“ Das Wort mündig enthalte schließlich das Wort Mund. „Und den muss man aufmachen und darf ihn gleichzeitig nicht zu voll nehmen.“ Neben Carsten Ovens und Friedemann Schulz von Thun war auch Dr. Michael Fehling von der Bucerius Law School Teil der Ehrenjury.
Themen der ZEIT DEBATTE Hamburg um Überblick
VR 1: Sollte es legitimiert werden, verbindliche Verträge über Leihmutterschaft abzuschließen und durchzuführen?
VR 2: Ist das Entstehen von Plattformen wie Campact zu bedauern?
Factsheet: Campact und vergleichbare Organisationen sind Protestplattformen, die tagespolitische Meinungen bündeln, Unterstützer bzw. Gegner von politischen Maßnahmen mobilisieren und so versuchen, Druck auf Regierungen, Parteien und Organisationen auszuüben. Dabei folgen sie keiner dauerhaft bestimmten Ideologie. Die Finanzierung solcher Plattformen erfolgt ausschließlich über Spenden und Förderbeiträge, aber sie dürfen, im Gegensatz zu Parteien und vielen anderen NGOs, Spender und Förderer der Öffentlichkeit gegenüber anonym halten und genießen den Status der Gemeinnützigkeit. Campact hat nach eigenen Angaben 1,7 Mio Zuhörer
VR3: Sollte in industrialisierten Staaten die Nutzung von Tieren durch den Menschen verboten werden?
VR4: Sollte das Bargeld abgeschafft werden?
VR5: Sollte es Personen verboten werden, ihr äußerliches ethnisches Erscheinungsbild durch Medikamente und/oder Operationen zu verändern?
Halbfinale: Sollte es sozialen Netzwerken verboten werden, automatische Filteralgorithmen anzuwenden?
Finalthema: Sollen Gefährder erheblich in ihrer Freiheit eingeschränkt werden können, ohne, dass sie konkrete Straftaten begangen haben?
Einmal im Jahr lädt die Hauptsponsorin alle Clubpräsidenten und Clubpräsidentinnen des VDCH-Landes ein, um sich vorzustellen, auszutauschen und kennenzulernen. Neben praktischen Tipps zur professionellen Pressearbeit bietet der Präsidententag vor allem eines: einen tiefen und exklusiven Einblick in das Handwerk renommierter Journalisten.
Erstaunt blickte am 11. Dezember ein Redakteur aus seinem gläsernen Büro im 7. Stock des Pressehauses am Speersort, als 36 Studenten durch den Gang liefen und in einem Besprechungsraum verschwanden. Ob sie hier denn gerade einen Flash-Mob veranstalten würden und ob er mit machen könne, wollte der Journalist wissen und lachte.
Selten bekommen Studierende die Möglichkeit, im Hause der ZEIT mit Veranstaltungsorganisatoren und Journalisten zu sprechen. An einem Nachmittag im Jahr öffnet die Hauptsponsorin der ZEIT DEBATTEN-Serie ihre Türen, um mit den Debattanten gemeinsam über das Jahr zu reflektieren – wie liefen die Turniere, was kann man besser machen und welche Dinge werden sich ändern? Bereits im letzten Jahr war klar: Für den Printjournalismus bleibt alles anders, die Berufsszene kämpft um Klickzahlen und Printauflagen.
Das Muss der Pressemitteilung in Zeiten hoher Veranstaltungskonkurrenz
36 Clubvertreter und Clubvertreterinnen waren angereist, um DIE ZEIT in Hamburg kennenzulernen. (c) Schwarz
Lina Kirstgen ist die Leiterin für Hochschulveranstaltungen bei der ZEIT und beobachtet den Wandel der Presselandschaft schon seit längerem. Viel hat sich getan: Redaktionen schrumpfen, Journalisten werden eingespart, das Korrespondentennetzwerk unter dem Effizienzgedanken reduziert. Das merke man auch bei den Veranstaltungen. „Es ist einfach sehr schwierig, die Presse vor Ort zu bekommen. Früher kamen die Journalisten von allein, heute müsst ihr richtig um sie werben.“ Konkret bedeute dies, Informationen mundgerecht zu servieren, nachzufragen und Pressemitteilungen zu professionalisieren. „Wenn im ersten Absatz nicht die W-Fragen beantwortet werden, schaltet der Journalist ab. Er hat ja noch 10 andere Veranstaltungseinladungen im Postfach“, so Kirstgen.
Über 40 Veranstaltungen bietet die ZEIT an Hochschulen pro Jahr an. Dazu gehört auch die ZEIT DEBATTE-Serie, die aus vier nationalen ZEIT DEBATTEN, den Regionalmeisterschaften sowie der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft besteht. Neu im Veranstaltungsprogramm der ZEIT ist die Reihe „Frauen führen anders,“ die jungen Absolventinnen Möglichkeiten zum Berufseinstieg und der Karriereplanung aufzeigen soll.
Die journalistische Arbeit in einer „neuen politischen Realität“
Nicht nur die ZEIT-Veranstaltungsreihe erweitert ihren Themenradius, auch die Redaktionen der Qualitätszeitung weben am neuen Gewand der Medienlandschaft mit. „Früher habe ich über das Wahldebakel der SPD geschrieben, heute gibt es kaum noch reine Innenpolitik“, berichtete Khuê Pham, die seit fünf Jahren für das Politikressort der ZEIT schreibt. Die Krisen der heutigen Zeit wirkten über die Ressorts hinweg, Innen- und Außenpolitik vermischten sich zu einem neuen Konglomerat. Die journalistische Arbeit müsse sich einer neuen politischen Realität anpassen, alte Grenzen verwischten, neue Hybridformen gelte es zu formen. Umso wichtiger sei die Kontextualisierung der einzelnen Themen, „dazu sind wir da.“ Einmal mehr gingen im Publikum die Hände hoch: Wie sich Print- und Onlinejournalismus noch unterscheiden, was sie trennen und was sie verbinden würde, wollte ein Debattant wissen.
Lenz Jacobsen, Politikredakteur bei ZEIT Online, gab Antwort und brachte die 34 jungen Zuhörer zum Lachen. „Na ja, wir machen das gleiche nur schneller.“ Das sei zumindest der Anspruch, allerdings sei die Themenaktualität gerade im Internet sehr wichtig. Jacobsen begleitete lange die PEGIDA-Demonstrationen in Dresden, berichtete über linken und rechten Protest und über die Wählerkurven der AFD. Persönliche Anfeindungen seien keine Seltenheit. „Man lernt, damit umzugehen und man darf nicht vergessen, dass die Kommentarspalten nicht die Leserschaft repräsentieren.“
Warum Spezialwissen bei Journalisten nicht ausreicht
Stefan Schmitt, Stellvertretender Ressortleiter Wissen, sprach über die Relevanz von Infografiken und das überschätzte Spezialwissen. (c) Schwarz
Auch Stefan Schmitt, Stellvertretender Chefredakteur des Ressorts Wissen, sprach über die Herausforderungen, auf den Leser zuzugehen und da hinzuschauen „wo es knirscht.“ Die Aufgaben eines Wissenschaftsredakteurs lägen nicht in der Übersetzungstätigkeit. „Es bringt nichts, wenn 10 Leute Spezialwissen haben.“ Ähnlich wie beim Debattieren gehe es um die Vermittlung von Information. Im Redaktionsteam von ZEIT Wissen sitzen Ärzte, Mikrobiologen und Physiker, die wissenschaftliche Journals durchstöbern, um daraus für den Leser Trends und Wissenswertes zu destillieren. Schmitt ging auf die Alltäglichkeit der Wissenschaft ein, auf des Lesers Fragen nach Krebsrisiken, erweiterten Suizid und Gentechnik. Dabei müsse der Leser überzeugt werden, sich auf ein Thema einzulassen, weshalb ein guter Artikel nicht nur informiere, sondern Spaß machen und zum Nachdenken animieren solle. Da nickten die Debattanten zustimmend – so ist es schließlich auch mit einem guten Argument.
Enrique Tarragona, Stellvertretender Geschäftsführer von ZEIT Online, gab numerische Einblicke in die Entwicklung der Onlinepräsenz (c) Schwarz
Enrique Tarragona ist der Mann für Zahlen und Fakten. Der Stellvertretende Geschäftsführer von ZEIT Online kennt den Wert einer E-Mail-Adresse, die steigenden Klickzahlen auf ZEIT Online, wenn Deutschland in die Mittagspause geht – und die Diskussion über die Paywall im Internet. Auch ZEIT Online skizziert Entwürfe für eine mögliche Bezahlschranke. Freiwillige Spenden wären dabei nur Luftschlösser der Zukunft. „Wenn ein Laden Schuhe gegen Spende anböte, wäre niemand bereit, für den tatsächlichen Wert aufzukommen. So ist das nun mal“, stellte Tarragona fest. Auf dem Weg nach draußen wurde das Konzept der Paywall in dem ein oder anderen Gespräch noch einmal aufgegriffen: „Könnte man nicht …“, „Wäre es nicht möglich, dass …“ und schließlich die unvermeidbare Kernfrage: „Haben wir darüber eigentlich schon einmal debattiert?“
Nicht nur in den Beiträgen von Enrique Tarragona und Stefan Schmitt wurde deutlich, welche Parallelen die journalistische Berichterstattung und das Debattieren verbindet: die Reflexion der Gegenargumente, das überlegte und konsequente Abwägen und schließlich die Meinungsbildung, die überzeugen, statt tönend überstimmen sollte. Wir danken der ZEIT und allen Referenten für Ihre Bereitschaft, auf Augenhöhe mit den Debattanten ins Gespräch zu kommen und freuen uns auf ein Wiedersehen im kommenden Jahr!
Unterstützer und Schirmherr der ZEIT DEBATTEN-Serie Helmut Schmidt (c) Werner Bartsch
“ ‚Wer nicht redet, wird nicht gehört‘ – Altbundeskanzler Helmut Schmidt war tief mit der Debatte und dem Debattieren verbunden. In der Überzeugung, selbst einen wichtigen Teil zum politischen Diskurs beitragen zu können, suchte Helmut Schmidt immer wieder den Kontakt zur Öffentlichkeit.
Helmut Schmidt beließ es nie beim Reden, im Herzen war er immer auch Macher, der sich nach Erkenntnis der richtigen Vorgehensweise auch für diese Überzeugung einsetzte. Sein Charakter verkörperte das Debattieren – nicht nur im Amt vermochte er es, seiner Stimme Gehör zu verschaffen.
Der Verband der Debattierclubs an Hochschulen e.V. und die Deutsche Debattiergesellschaft e.V. trauern um Helmut Schmidt als einen der letzten großen Staatsmänner. Er war ein Debattant par excellence, dessen Schirmherrschaft für die ZEIT DEBATTEN-Serie seit 2007 eine Ehre für all jene Studenten darstellte, die sich der demokratischen Streitkultur verschrieben haben.
Wir verlieren in ihm einen Menschen, der bis ins hohe Alter die Ereignisse der Europa- und Weltpolitik so kenntnisreich wie streitbar kommentierte. Wie kaum ein anderer setzte sich Helmut Schmidt über Jahrzehnte hinweg für Demokratie, für Diskurs und für Deutschland ein.
Unser Dank und unsere Hochachtung gilt seiner außergewöhnlichen Lebensleistung.
In seinem Andenken wollen wir mit dem weitermachen, was uns so sehr mit Helmut Schmidt verbindet: Reden, um gehört zu werden.
Unser aufrichtiges Mitgefühl gilt seiner Lebensgefährtin Ruth Loah und seiner Tochter Susanne Schmidt.“
Jan Ehlert, Präsident des Verband der Debattierclubs an Hochschulen e.V.
Jens Henning Fischer, Präsident der Deutschen Debattiergesellschaft e.V.
Gute Nacht, Freunde…
Zum Tod von ZEIT DEBATTEN-Schirmherr Helmut Schmidt
Ein Nachruf von Daniel Sommer
Florian Illies beschrieb die Kindheit der „Generation Golf“ mit den Worten, „wenn man den Fernseher anmachte, sah man immer Helmut Kohl.“ Illies ergänzte, dass man über die Zeit nach 1945 insgesamt nicht viel wusste, außer „dass irgendwann Helmut Kohl kam. Und dass er unendlich lange blieb.“ Das ist lustig, aber natürlich Quatsch.
Schon immer da gewesen und unendlich lange geblieben ist ein anderer Helmut. Helmut Schmidt, der als Schirmherr der ZEIT DEBATTEN über viele Jahre die Rolle des Patrons des deutschsprachigen Hochschuldebattierens innehatte.
Von den letzten Vertretern der Generation Käfer bis zu den ersten der Generation New Beetle, begleitet wurden wir alle von Helmut Schmidt. Als Senator der Stadt Hamburg, als Bundeskanzler der Bundesrepublik, als Herausgeber der ZEIT, als weltbürgerlicher „Elder Statesman“ hat er uns die Welt erklärt. Wir schätzten seine Meinung, vor allem weil er verstand, sie deutlich zu erklären. Und wenn es über andere heißt, sie sprächen druckreif, so war das bei Schmidt gerade andersherum. Jeder Leitartikel eine kleine oratio. Man meinte fast, ihn zu hören, wenn er Spalte für Spalte, Buch um Buch das politische Geschehen sezierte.
Wenn man, wie Christoph Busch es immer angeregt hat, das Debattieren als Boxkampf versteht, dann war Schmidt Muammad Ali. Er konnte austeilen wie kein anderer. Er konnte auch einstecken, musste das aber selten. Was als rednerische Arroganz verstanden werden konnte, war in den meisten Fällen nur seine intellektuelle Überlegenheit. Und wer doch einmal Schmidts Deckung durchbrach, musste immer mit einem Konter rechnen. Auf die Bretter geschickt wurde er selten.
Der Debattenredner Helmut Schmidt beherrschte die gesamte Klaviatur der Rhetorik. Seine Fixierung auf Daten, Zahlen und Fakten glich er mit lebhaftem, oft aggressivem Stil aus. Ordnung musste sein, Struktur war oberstes Gebot. Die Gestik war, wie seine Stimme, scharf und schneidend. Und wenn seine Mimik, wie zum Beispiel im TV-Duell mit Genscher gegen Strauß und Kohl vor der Bundestagswahl 1980, immer wieder Ablehnung und Missachtung seiner Gegner ausdrückte, so war das mit Sicherheit bewusstes Kalkül, nicht etwa ein Riss in der Fassade norddeutscher Kontenance.
Pathos war ihm fremd, vielleicht sogar verdächtig, nach der Erfahrung mit den Demagogen der Nazi-Zeit. Vor Polemik ist er indes nie zurückgeschreckt. Ethos hat er sich hart erarbeitet und dann immer wieder eingesetzt. Bevorzugtes Mittel der Überzeugung war für Schmidt aber immer der Logos. Er kam über die „rechten Kriterien“, wie wir das heute in OPD-Sprech nennen. Dabei war Schmidt clever genug, wie der Tübinger Rhetorik-Professor Gerd Ueding in seinem Essay „Nüchterne Leidenschaft. Der Redner Helmut Schmidt“ beobachtet, sich nicht auf die inhaltliche Überzeugungskraft seiner Argumente zu verlassen. Er wollte nicht nur Recht haben, sondern auch Recht behalten. Schmidt war ein Meister darin, seine Prämissen und Schlussfolgerungen jeweils so zu präsentieren, als würden sie widerspruchslos an die Haltung seines Publikums anknüpfen. Nicht immer erfolgreich, aber immer rhetorisch brillant konstruiert. Und häufig genug in eine reizvolle Form aus klassischen Figuren, Stilmitteln und Redeschmuck gegossen.
Schmidts Redekunst war immer von Energie und Dynamik geprägt. Auch noch, als er seine Vorträge in hohem Alter schon längst nicht mehr stehend am Rednerpult sondern sitzend an einem Tisch auf dem Podium hielt, noch später im Rollstuhl. Präzise Formulierungen, elegante Konstruktionen und akzentuierende Betonung zogen weiterhin das Publikum in seinen Bann. Selbst das Hörgerät hat ihn in Debatten nie eingeschränkt. Es schien immer blendend zu funktionieren, auch bei schweren Fragen und scharfem Gegenwind. Nur bei dummen Kommentaren schien es manchmal seinen Dienst zu versagen.
Wer zu jung ist, um Schmidt noch im Parlament erlebt zu haben, der hat denselben Dogmatiker der Vernunft dann in der Kolumne „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ oder als Stammgast bei Sandra Maischberger kennengelernt. Mentholzigaretten und Cola waren eine in allen Studios gelittene Marotte. Nur das würdelose Ritual des Tabakschnupfens wurde von der Bildregie beflissentlich ausgeblendet. Griff Schmidt in seine Westentasche, wurde flugs auf die Moderatorin geschnitten. Aus dem Off hörte man dann ein verhaltenes Niesen, gefolgt von einem genussvollen Schnäuzen, wenn Schmidt die überflüssige Gletscherprise in das hanseatische Taschentuch entsorgte.
Es wäre allerdings falsch, den Redner Helmut Schmidt auf den Polemiker im Plenarsaal oder den Kommentator auf der Couch im Fernsehstudio zu reduzieren. Dass er auch die leisen, zarten und gefühlvollen Töne beherrschte, zeigte er beispielsweise im Jahr 2002 bei seiner Rede auf der Trauerfeier für Marion Gräfin Dönhoff im Hamburger Michel. Alle Schroffheit wie weggeblasen, Schmidt fast rührend, so privat, wie ein Hanseat in der Öffentlichkeit eben sein kann. Große Kunst.
Nun ist Helmut Schmidt im Alter von 96 Jahren in seinem rotgeklinkerten Doppelhaus in Hamburg Langenhorn gestorben. Er bleibt ein Vorbild, dem viele von uns nacheifern, das wir manchmal auch kopieren. Kaum ein Debattant, der nicht schon einmal das Schmidtsche Bonmot zitiert hat, „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen!“, egal, ob er Visionäre angreifen oder verteidigen wollte – oder, wie ich es auch schon erlebt habe, um sich über die deutsche Ärzteschaft auszulassen.
Vergessen wir einen Moment den Ärger über das schlechte Thema der letzten Vorrunde oder den Streit über die Jurorenentscheidung der letzten Finaldebatte. Lasst uns lieber einen Moment innehalten und erinnern wir uns daran, dass das Studium der Rhetorik und die Übung der freien Rede mehr sind als nur Skills oder Spiegelstriche im Lebenslauf. Erinnern wir uns gemeinsam daran, wie Helmut Schmidt als Rhetor vorgelebt hat, dass gutes Reden und gutes Handeln Hand in Hand gehen. Die Lektion des Meisters lehrt uns, dass die Rednerschule nicht nur gute Redner hervorbringen soll, sondern auch gute Menschen, aufgeklärte Bürger und bedächtige Politiker.
Es bleiben Dank und Abschied. Wir können uns geehrt fühlen, unser Hobby so viele Jahre unter der Schirmherrschaft von „Schmidt Schnauze“ ausgeübt zu haben. In den Worten des Barden: „Gute Nacht, Freunde. Was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette…“ – nun ohne Helmut Schmidt. Er fehlt schon jetzt.
Die Teilnehmer des Kick-offs kamen aus ganz Deutschland nach Frankfurt (c) Elisa Schwarz
Vom 9. bis zum 11. Oktober fand in Frankfurt der vierte VDCH-Kick-off in Frankfurt statt. 64 Clubvertreten waren angereist, um sich auszutauschen, Fragen an erfahrene Organisatoren zu adressieren und an themenspezifischen Workshops teilzunehmen. Dadurch sollen Clubs die Möglichkeit bekommen, an einer Art „lebendigem Wiki“ teilzunehmen, um im persönlichen Gespräch und intensiven Workshops mit dem nötigen Wissen auf die kommende Saison vorbereitet zu werden. Denn: Eine Debatte ohne gegenseitigen Wissensaustausch ist schwer vorstellbar – ähnliches gilt für die Organisation von Clubdebatten, Hochschul-Veranstaltungen und Turnieren. Jeder Debattierclub hat über die Zeit Expertise in ganz unterschiedlichen Bereichen angesammelt, zum Beispiel in der Turnierorganisation, im Jurieren oder der Pressearbeit. Damit dieses Wissen nicht an Clubs und Personen gebunden ist, organisiert der VDCH einmal im Jahr ein dreitägiges Forum. Innerhalb von themenspezifischen Workshops können sich Teilnehmer auf die kommende Saison vorbereiten und sich Infos und Rat bei erfahrenen Referenten holen. Neben den drei Themenfeldern Finanzen, Cluborganisation und Einsteigertrainings wurde in diesem Jahr auch ein Workshop für die Tabbing-Plattform „Tabbie II“ sowie ein Ideenforum eingerichtet.
Wie lässt sich ein Club organisieren? Und wie können Mitglieder langfristig gebunden werden? Die Teilnehmer entwarfen Konzepte und tauschten Ideen aus. (c) Elisa Schwarz
Letzteres bot allen Interessenten die Möglichkeit, Ideen und Vorschläge für die Entwicklung der Debattierszene zu diskutieren und Fragen an den VDCH-Vorstand zu stellen. Bereits in den vergangenen Jahren fand ein Kick-off statt, die einem ähnlichen inhaltlichen Aufbau folgten. Ziel ist es, clubübergreifend Wissen auszutauschen und Kontakte zu vermitteln, um auch und gerade kleinen Clubs Starthilfe bei Turnierausrichtungen oder allgemeinen Clubaufgaben zu geben. Über die letzten Jahre hat sich dabei gezeigt, dass durch diesen Austausch die unterschiedlichen Professionalisierungsgrade und –ziele einzelner Clubs abgerufen und individuell weiterentwickelt werden können. So wird das Wissen nicht redundant und statisch aufbereitet, sondern konkret an die Vorstellungen und Fragen der Teilnehmer gebunden. Turnierausrichter, die bereits im letzten Jahr am Kick-off teilgenommen hatten, konnten in diesem Jahr beispielsweise von ihren Erlebnissen berichten und den neuen Ausrichtern bei Fragen zur Verfügung stehen. Um möglichst viele Bereiche der alltäglichen Clubarbeit zu professionalisieren, werden unterschiedliche Themenfelder von erfahrenen Debattanten oder Organisatoren betreut und stehen auch im Nachgang als Ansprechpartner zur Verfügung. Zudem werden die Präsentationen der Workshops demnächst im Wiki abgerufen werden.
Christoph Schäfer, langjähriger FAZ-Journalist, erläuterte die Besonderheiten unterschiedlicher journalistischer Darstellungsformen (c) Elisa SchwarzÜbersicht über die Workshops
Eine Debatte ohne gegenseitigen Wissensaustausch ist schwer vorstellbar – ähnliches gilt für die Organisation drumherum. Jeder Debattierclub hat über die Zeit Expertise in ganz unterschiedlichen Bereichen angesammelt, zum Beispiel in der Turnierorganisation, im Jurieren oder der Pressearbeit. Damit die über 70 Debattierclubs in Deutschland nicht alles neu erfinden müssen, organisiert der Verband der Debattierclubs an Hochschulen e.V. seit zwei Jahren ein Saison-Kick-off, auf dem der Wissentransfer im Mittelpunkt steht.
Vom 09.-11. Oktober 2015 lädt der neu gewählte Vorstand des VDCH nun erneut zum Kick-off nach Frankfurt ein. Hier gibt es auf zahlreichen Workshops zu einem unschlagbar günstigen Teilnehmerbeitrag die Möglichkeit, von den besten Organisatoren des VDCH-Landes und den anderen Seminarteilnehmern zu lernen. Wie im letzten Jahr wird der Kick-off vom Partner des VDCH im Wissenstransfer, McKinsey, unterstützt und die Teilnehmer sind herzlich eingeladen, sich für den von McKinsey beim Kick-off exklusiv angebotenen Fallstudien-Workshop zu bewerben.
Die Anmeldung zum Kick-off erfolgt über ein Online-Formular und ist bis zum 18. September offen. Interessierte können sich für Fragen gern beim VDCH-Vorstand melden. Eine Übersicht über den Zeitplan sowie detaillierte Infos zu den einzelnen Workshops des Kick-off können hier abgerufen werden.